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Event-Antifaschismus und Pogromstimmung

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Event-Antifaschismus und Pogromstimmung

Der Mob, der aktuell durch Deutschland zieht, den Juden den Tod wünscht, Hitler feiert und Synagogen angreift, ist auf gewisse Art ein Kulturschock. Es sind nicht die Nazis mit Springerstiefeln und Glatze, die diese Hass-Orgien auf den Straßen veranstalten, sondern arabisch- und türkischstämmige Deutsche. Weit weg vom arischen Schönheitsideal und dennoch genauso verachtenswert und antisemitisch. Dass es das geben kann, hat man lange verdrängt.

Vor allem der linke Mainstream tut sich in seiner verklemmten Multikulti-Begeisterung schwer, Missstände anzuerkennen. Da wird Kritik schnell reflexhaft als fremdenfeindlich abgewehrt und sich stattdessen lieber in Anekdoten über den türkischen Gemüsehändler gerettet, der natürlich immer “mein türkischer Gemüsehändler” ist (dass auch der ein Rassist sein kann, ist schlicht undenkbar).

Und jetzt zelebriert ein muslimischer Mob in aller Öffentlichkeit seinen Judenhass. Und das sonst so schnell betroffene Deutschland, die „Nie wieder“-Fraktion, die sich so gerne den Nazis entgegenstellt, wenn die eine ihrer traurigen Demonstrationen abhalten, schweigt. Türkische und arabische Antisemiten sind nicht ihre Kernzielgruppe. Gegen so einen echten Deutschen zu demonstrieren, hat was Befreiendes, weil man damit den Widerstand gegen Hitler nachholen kann. Es ist zwar nur Event-Antifaschismus, aber immerhin. Gegen muslimische Judenhasser zu demonstrieren überfordert den tapferen Antifaschisten hingegen völlig, weil Moslems doch Migranten sind und Migranten die Opfer von Nazis, die wiederum die Antisemiten sind. Wie kann es dann also sein, dass auch ein Deutscher, dessen Vorfahren aus Anatolien, Ramallah oder Beirut kamen…nein, das ist der Antifa nicht geheuer.

Dass der deutsche Antifaschist wählerisch ist und längst nicht jede Form von Antisemitismus attackiert, zeigt beispielhaft Konstantin Wecker. Seit Jahrzehnten tourt er als singender Widerstandskämpfer durchs Land. Er zeigt Gesicht gegen Nazis und für ein weltoffenes Deutschland, gegen Fremdenfeindlichkeit und für ein friedliches Miteinander. Und wie reagierte er auf diese Eskalation des antisemitischen Hasses? Gar nicht. Am vergangenen Donnerstag, am 17. Juli, als der Mob längst durch die Straßen zog und „Juden ins Gas“ brüllte, veröffentlichte Wecker tatsächlich einen empörten Beitrag…und zwar über fünfzehn Nazis, die vor dem Landtag in Erfurt demonstrierten und dabei auch ein Lied von ihm spielten. Er schrieb: „Als erklärter Feind alter und neuer Nazis habe ich immer damit rechnen müssen, von ihnen beschimpft und bedroht zu werden. Aber derzeit geschieht etwas, was mich, als ich davon erfuhr, getroffen hat wie ein Stiefeltritt ins Gesicht: Neo-Nazis singen meine Lieder.“

Das ist also für eine linke Ikone der Stiefeltritt ins Gesicht an einem Tag, an dem der Judenhass sich in Deutschland erstmals seit Jahrzehnten einer Pogromstimmung näherte. Wecker schließt mit dem Bekenntnis, wie sehr er „Nationalismus, Verfolgung Andersdenkender, Fremdenhass bis zur Mordgier“ verabscheut. Das darf man getrost bezweifeln, denn „Nationalismus, Verfolgung Andersdenkender, Fremdenhass bis zur Mordgier“ explodierten auf Deutschlands Straßen, während er unbeeindruckt davon sein selbstgerechtes Bekenntnis zum Kampf gegen „alte und neue Nazis“ auf Facebook setzte. Er hat übrigens in den darauffolgenden Tagen noch weitere Beiträge veröffentlicht. Auch da kein Wort zum antisemitischen Mob, dafür aber Wut über das israelische Vorgehen im Gazastreifen.

Es gibt einen politisch korrekten Kampf gegen den Faschismus, der sich ausschließlich gegen deutsche Nazis richtet. Migranten können sich gerne als Antifaschisten daran beteiligen, in der Rolle der Faschisten möchte man sie aber nicht sehen. Dann ignoriert man sie einfach. Schade für die Opfer von Antisemitismus und Rassismus, wenn sie von den falschen Antisemiten und Rassisten bedroht werden. Dann sind Konstantin Wecker und Co. nicht zuständig.

Gideon Böss auf Facebook und Twitter

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