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Justin Bieber und Anne Frank

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Justin Bieber und Anne Frank

Justin Bieber hat für einen „Eklat“ gesorgt. Nicht wegen seines Affens, das Thema ist schon durch, sondern weil er im Amsterdamer Anne-Frank-Haus einen ungewöhnlichen Gästebucheintrag hinterließ: „Wirklich inspirierend, hierherkommen zu können. Anne war ein großartiges Mädchen. Hoffentlich wäre sie ein Belieber gewesen.“

Wobei Belieber die Selbstbeschreibung von Justin Bieber Fans ist. In Zeitungsartikeln, Internetforen, auf Twitter und Facebook meldeten sich zahllose Menschen zu Wort, die diesen Eintrag für unangemessen hielten. Wo ist denn aber das Problem? Wäre es denn angemessen gewesen, wenn der Sänger staatstragend zu Papier gebracht hätte: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“? Wer hätte ihm das abgenommen? Nein, er ist kein Politiker und wenn ein Gästebuch nur dazu da ist, die immer gleichen Floskeln zu hinterlassen, würde es auch reichen, wenn nur die Unterschriftenzeile frei bleibt und der jeweilige Besucher dort unterschreibt.

Außerdem hat Bieber doch Recht. Eine Welt, in der man als Teenager ein Belieber sein kann, ist das genaue Gegenteil von der Hölle, in der Anne Frank sterben musste. Warum sollte er nicht überlegen, was ihr gefallen hätte und ob sie ein Fan seiner Musik gewesen wäre? Man kann es für erstaunlich selbstbezogen halten, dass Bieber beim Gang durch das Haus ausgerechnet solche Gedanken durch den Kopf gingen, aber weder macht er sich damit lustig über Anne Frank, noch verharmlost er die Nazi-Verbrechen.

Ein Weltstar im Teenageralter, der in seinem Größenwahn alle Ereignisse der Weltgeschichte nur auf sich selbst gespiegelt begreift, und den deswegen bei Anne Frank die Frage umtreibt, was sie wohl von ihm gehalten hätte, ist außerdem genau das, was so oft gefordert wird: Authentisch.

Sehr wohl problematisch sind dagegen Politiker, die zwar wissen, was für Betroffenheitslyrik in so ein Buch gehört, aber dann verhindern, dass die judenhassende Mörderbande Hisbollah auf die Liste der terroristischen Vereinigungen kommt. Oder den anwachsenden Antisemitismus in Europa übersehe bzw. nur in seiner rechtsradikalen (aber nicht linksextrem oder islamistischen) Ausformungen erkennen wollen.

Justin Bieber ist kein Diplomat und anscheinend stand ihm in diesem Moment auch kein PR-Berater zur Seite, also hat er diesen harmlosen Beweis seines grenzenlosen Egos zu Papier gebracht. Nicht schlimm. Es wäre tatsächlich toll, hätte Anne Frank die Möglichkeit gehabt, sich die Poster ihrer Idole an die Wand zu hängen, anstatt bei jedem Geräusch im Haus den Tod fürchten zu müssen.

Gideon Böss twittert unter twitter.com/GideonBoess

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